Das Wetter hatte früher eine noch größere Bedeutung als heute, da man damals noch stärker davon abhing als in der modernen Zeit. Gepaart mit einem weitaus größeren Aberglauben als wir ihn heute noch vielfach antreffen, konnte das Unverständnis von Naturphänomenen mitunter Weltuntergangsstimmung auslösen. Die Bevölkerung hatte aber nicht nur Angst vor unerklärlichen Erscheinungen, sondern auch Erklärungen dafür parat. Ein solches Naturphänomen war auch 1783 zu beobachten. Es wurde von verschiedenen Zeitzeugen überliefert. Auch der damalige Prior von Engelport notierte seine Beobachtungen in seinem Tagebuch. Lesen wir zunächst, was er niederschrieb, bevor wir uns den Ursachen zuwenden.

»1783: Herrauch im Monath Junio bis fasten in den Julius hinein. Die ältesten Leuth in Teütschland und Frankreich wissen solchen niemals gesehen zu haben. Derselbe hat auch anfangs be’ acht Tag hindurch übel gerochen. Ein Holländer hat zu einem unserer Höfer zu Threys ... gesagt, daß alle 70 Jahr die Berg an dem See brennen thäten, und von dannen thäte sich der Dampf in die gantze Welt extendieren. Andere wollen behaupten, dieser Dampf thäte herkommen, von dem Feüer, welches in Calabrien dies Jahr ausgebrochen ist. Einige wollen haben, daß a. 1719 ebenfalls solche Nebelen gewesen wären, und wäre darauf ein gewalt guthes Weinjahr gewesen. Ohngeacht sich niemand was guthes prophezeyen wollte aus dem Herrauch, welcher den Monath Junius schier beständig fortgedauert hatte, so ist dies Jahr 1783 ein sehr gesegnetes Jahr gewesen.«

So ganz geheuer war wohl auch dem Prior die merkwürdige Naturerscheinung nicht, sonst hätte er sicherlich nicht eigens darauf hingewiesen, daß in diesem Jahr »keine sonderbaren Kranckheiten haben hier grassiert«. Anschließend beschreibt er sehr ausführlich den harten und langen Winter 1783/84. Auch von anderen Zeitgenossen und späteren Autoren wurde das Phänomen beobachtet. Friedrich von Bassermann-Jordan schreibt 1923 z.B. für den Raum Deidesheim über das geschilderte Phänomen: »Im Juni und Juli immer duftige Luft und Höhenrauch, so daß man bei Gewitter keine Wetterwolken sieht.« In der Neustadler Chronik heißt es: »... gutes und merkwürdiges Jahr, früher Frühling, dann überaus heißer und trockener Sommer. Im Juni während der größten Hitze so dichter Höhenrauch, daß man nicht ¼ Stunde weit sehen kann, die Sonne ist blutrot 6 Wochen lang. Die Leute glauben an das Ende der Welt und stellen die Arbeit ein. Am 3.8. furchtbarer Sturm und Hagel«.

Heute gibt es eine ganz einfache Erklärung für dieses Naturereignis. Es lagen ihm nämlich Ausbrüche der südisländischen Vulkane Laki und Grímsvötn zugrunde, die von 1783 bis 1785 währten und deren Wirkung vielerorts beobachtet werden konnte. Eine ausführliche Darstellung dieses Ereignisses gaben kürzlich Thordarson und Self, die zahlreiche Augenzeugenberichte sammelten, die von Island, Grönland, England und Deutschland über Rußland bis zu etlichen anderen europäischen und asiatischen Ländern reichen. Wegen der auffälligen Witterung wurde das Jahr 1783 als annus mirabilis (wundersames/ sonderbares Jahr) bezeichnet.

Der Geophysiker Dr. Karl Krames aus Zell weist darauf hin, daß die ungewöhnliche Wärme dieses Jahres das Traubenwachstum begünstigte und noch ausreichend Niederschläge fielen, die rechtzeitig im Herbst wieder aufhörten, so daß ein Jahrhundertwein geerntet wurde. Auch Goethe erinnert in »Hermann und Dorothea« an den guten Jahrgang, indem er schreibt: »... und Mutter bringt uns ein Gläschen 83er her, damit wir die Grillen vertreiben.«.

Der von dem Prior erwähnte Jahrgang 1719 war laut Krames wegen des Ausbleibens der Spätfröste und des heißen Sommers tatsächlich ein Jahrhundertwein, der »lang siß bleibt«. Er hielt sich lange gut und im Keller von Frau Goethe fand sich noch nach 75 Jahren eine Flasche davon. Sie schieb am 07.01.1794 an ihren Sohn Johann Wolfgang: »2 Stück von 1706, 1 Stück von 1719, 2 Stück von 1726, die drei ersten sind die besten.«



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